Die öffentliche Wahrnehmung
politischer
Vorgänge ist insofern hoch heterogen, als sie davon
abhängig ist, wie
verschiedene Publikumskreise mit unterschiedlichem sozialen und
politischen
Hintergrund diese je für sich sinnvoll verarbeiten. Klassische
Diskursanalysen beschränkten
sich da meist allein auf die Untersuchung politischer Rhetorik, auf die
politischen Deutungen und Problemdarstellungen, wie sie von politischen
Akteuren über die Massenmedien verbreitet werden.
Vernachlässigt wurde der
Aspekt, dass diese Deutungen von unterschiedlichen Publikumsschichten
sehr
unterschiedlich verstanden werden, besonders dort, wo
Medienkonsumierende sie
als zu einer je anderen politischen Ausrichtung oder
Gesellschaftsperspektive
gehörig erkennen und bewerten. Das Frame-Project entwickelte
nun eine komplexe
Forschungsmethodik, welche diese Verstehensprozesse und Wirkungen
politischer
Diskurse quer über soziale und politische Milieus sehr genau
nachvollziehbar macht.
Mit der Untersuchung politischer
Streitgespräche im Fernsehen wurde die wahrscheinlich
einflussreichste Situation
ins Blickfeld genommen, wie politische Deutungsangebote gegeneinander
antreten.
Wir analysierten dabei, wie jeweils bestimmte
Publikumsschichten diese
Deutungsangebote verarbeiten. Aktuelle, aus den Abend-Nachrichten des
österreichischen
Rundfunks (ORF) aufgezeichnete Studio-Live-Diskussionen wurden kurz
nach
Ausstrahlung verschiedenen, möglichst
‘organischen’ Gruppen von
Fernsehkonsumierenden mit jeweils unterschiedlichem sozialem und
politischem
Hintergrund vorgespielt, und in einem offenen Gruppeninterview
abgefragt, wie
sie diese verstanden haben und welche Haltung sie dazu einnehmen. Die
davon
hergestellten Audioaufzeichnungen wurden gesprächs- bzw.
diskursanalytisch
minutiös ausgewertet. Weitere Analyseschritte führten
unter Zuhilfenahme
qualitativer Software (Atlas-ti) zu den komplexeren Mustern, welche
Publikumsgruppen die Deutungsrahmen, einzelnen Deutungen und
Durchsetzungsstrategien der Streitgegner jeweils wie ratifizieren,
aufnehmen
oder umdeuten.
Wir können mittels der im
Forschungprojekt
entwickelten Analyseverfahren nicht nur sehr genau untersuchen, wie die
Rezipierenden die widerstrebenden Deutungsangebote verarbeiten, oder
der
politischen Situation, um die es jeweils geht, überhaupt Sinn
verleihen. Wir
können darüber hinaus methodisch abgesicherte
Aussagen darüber treffen, welches
soziale und politische ‚Wissen’ die Rezipierenden
zur Anwendung bringen, wie
sie es situationsbezogen verwenden und an welchen Aspekten politischer
Deutungsangebote sie ansetzen, um diese zu einem für sie
konsistenten Bild
sozialer und politischer Vorgänge zusammen zu fügen.
Resonanzen von
Deutungsangeboten mit vorgefasstem Wissen bestimmen die oft sehr
antagonistische Aneignung politischer Diskurse und Deutungsrahmen. In
umgekehrter Perspektive sind vor allem die Fälle interessant,
wo politische
Akteure Elemente ihrer Deutungsangebote über ihr (auf
Parteipräferenz bezogen)
‚eigenes’ Klientel hinaus verankern
können; weil dort, wo Diskurse sich
verbreiten und dominant werden, setzen die Effekte jener
diskursiv-ideologischen Deutungskämpfe an, welche einen
gewichtigen Teil
gesellschaftlich-politischer Dynamiken ausmachen.