Im Frame Project wurde eine eigene, komplexe Methodologie entwickelt, welche bewährte Ansätze aus verschiedenen sozial- und sprachwissenschaftlichen Disziplinen in innovativer Weise kombiniert. Die Herausforderung lag darin, die feinen Unterschiede politischer Wahrnehmungen so genau nachzuvollziehen, wie es methodisch machbar scheint, und größere Fragen auf das herunterzubrechen, was sich in der Rekonstruktion individueller Fälle tatsächlich am empirischen Material zeigen lässt. Der Forschungsprozess durchläuft eine mehrschrittiges Verfahren, wobei die einzelnen Schritte einer je eigenen, dem Untersuchungsgegenstand und der Fragestellung angepassten Logik folgen.
Als theoretischen Hintergrund verwendeten wir das in der Analyse von Medienrezeptionen gebräuchliche Konzept von Deutungsrahmen (interpretive frames), erweiterten es aber um die interaktionistische Komponente und rekonstruktive Analysemethoden (vergl. Gotsbachner 2008; 2009). Damit schlägt es den Bogen zwischen der lokalen Konstruktion bzw. Durchsetzung von Rahmungen in der verbalen Interaktion zu kognitiven Prozessen der politischen Wahrnehmung. Für letztere ist es insofern bedeutsam, als dominante Deutungsrahmen zu einem bestimmten Thema definieren können, was als 'Tatsache' gilt und welche Argumente als relevant und schlagend angesehen werden (Schön/Rein 1994: 23; Lakoff 2004; Wikipedia).
Um das Moment zu erfassen, wo Medienkonsumierende aus einer Fülle widersprüchlicher Informationen und Problemdeutungen erst ihre eigenen Vorstellungen entwickeln, wurden Studio-Life-Diskussionen aus den Abendnachrichten des Österreichischen Rundfunks (ORF) kurz nach originaler Ausstrahlung 4-5 Publikumsgruppen mit unterschiedlichem sozialen und politischen Hintergrund vorgespielt. Die Zugzwänge des Medienformats und die Kürze der Streitgespräche (10-12 Minuten) kamen unserer Fragestellung insofern entgegen, als Politiker ihre Rahmungen da in kondensierter Form präsentieren müssen. Darin, wie verschiedene Publikumsgruppen anhand der widersprüchlichen Deutungsangebote die neue Situation einordnen und bewerten, liessen sich ihre politischen Wahrnehmungen realitätsnah untersuchen. Das Forschungsdesign unterscheidet sich so auch grundlegend von den in der sozialpsychologischen 'Medienwirkungsforschung' gebräuchlichen Labor-Experimenten.
Die Datenerhebung erfolgte in den eigenen Wohnzimmern der Befragten, vor ihrem eigenen Fernsehgerät, und womöglich in einer Gruppe von Freunden, Bekannten oder Familienmitgliedern, mit denen sie auch sonst gemeinsam fernsehen und über Politik reden. Nach dem Vorspielen der Sendung und einem Erzählanstoß ("Was haben Sie gesehen, und was denken Sie sich dazu?") wurden die Gespräche möglichst selbstlaufend, das heißt ohne weitere Fragestellungen durch die Interviewenden geführt, als non-direktive 'focus-group-interviews'. Das Untersuchungsmaterial spiegelt damit die eigenen Relevanzen der Untersuchten, also das, was für sie selbst im Zusammenhang mit der politischen Diskussion wichtig ist, formuliert in ihren eigenen diskursiven Repertoires, welche sie im Sprechen über Politik innerhalb ihrer peer-Gruppen als erfahrungsnahe Denk- und Darstellungsmuster habitualisiert haben.
Die Wahrnehmungen der Rezeptionsgruppen-Teilnehmenden in ihren eigenen Relevanzen und interpretativen Repertoires zu rekonstruieren, diente eine genaue sequentielle Analyse der Gespräche. Die Analysen erfolgten im Forschungsteam, um unterschiedliche Lesarten abzugleichen und die unterschiedlichen Erfahrungen im Team somit als heuristische Ressource und Gegencheck zu nutzen. Mit an die Gesprächsanalyse angelehnten Analyseverfahren rekonstruierten wir zuerst die lokale Handlungs- und Bedeutungskonstitution, wobei sich unsere Analysen auch darauf stützen können, dass in den Darstellungen der Rezeptionsgruppen, d.h. in Antworten auf zuvor Gesagtes ihre eigenen Interpretationen analytisch zugänglich werden. Spezifische Formulierungen knüpfen dabei an wiederkehrende Sprechweisen an, welche für die Sprechenden jeweils eigene Konnotationen tragen. So kann rekonstruiert werden, was die Sprechenden selbst als 'soziales Wissen' behandeln, welches sie zur Deutung der Fernsehdiskussion heranziehen. Die Rekonstruktion der Handlungskonstitution diente dabei auch als Validitätskontrolle, ob die Art, wie die Teilnehmenden die Gesprächsaufgabe verstehen und bearbeiten, tatsächlich unserem Forschungsinteresse zuarbeitet, oder die Darstellung ihrer interpretativen Repertoires durch entgegenlaufende Aktivitäten (z.B. Vermeidung von Konfliktthemen innerhalb der Gruppe) behindert ist.
Die vergleichende Analyse verbindet eine Reihe von vorangehenden Forschungsschritten und führt sie auf einer höheren Ebene zusammen: Die Untersuchung von Wahrnehmungsmustern innerhalb, besonders aber auch quer über unterschiedliche Gruppen. Bei der Analyse der Fernsehdiskussionen in ihrem eigenen Recht (zur Methodik vergl. Gotsbachner 2008; 2009) wurden die widerstrebenden Deutungsangebote der diskutierenden politischen Akteure in ihren Hauptrahmungen rekonstruiert, welche jeweils in Unter-Rahmungen und diese stützende Einzel-Argumente aufgesplittert werden können. Um nun die immense Materialfülle der Rezeptionsgruppengespräche für die vergleichende Analyse handhabbar zu machen, verwendeten wir eine Software zur computergestützten Analyse qualitativer Daten: Allen Argumenten und Rahmungen aus der Fernsehdiskussion wurden eigene Codes zugewiesen, und damit jede einzelne Stelle aus den Rezeptionsgruppengesprächen, wo Publikumsmitglieder auf diese bezug nehmen, codiert, jeweils mit einem weiteren Code für positive, bekräftigende Bezugnahmen, oder negative, d.h. kritische Bezugnahmen, oder auch neutrale. So können alle Transkriptstellen, wo Rezipierende über ein bestimmtes Deutungsangebot (oder zumindest deren Inhalt) reden, mit nur einem Mausklick aufgerufen und in der vergleichenden Analyse aufkeimende Untersuchungshypothesen sofort am Originalmaterial überprüft werden. Es lassen sich aber auch komplexere Abfragen gestalten, etwa dazu, welchem Muster jene Bezugnahmen folgen, wo z.B. Rezeptionsgruppenmitglieder ein Deutungsangebot eines Politikers oder einer Politikerin bekräftigen oder übernehmen, welche sie nicht selbst wählen oder sogar als politische Gegner ansehen.
Ziel der vergleichenden Analyse ist nicht mehr die Rekonstruktion spezifischer Einzelfälle in ihrem eigenen Recht, sondern soziale Vor- und Darstellungskomplexe in ihren Wirkungsweisen auf der höheren, sozialen Ebene zu erfassen. Sie bestimmen die politische Wahrnehmung von Streitgesprächen im Fernsehen und von Politik allgemein. Über ein geeignetes theoretisches sampling können dabei bestimmte gesellschaftliche Milieus oder politische Schichten (wie etwa politikverdrossene Wechselwähler) untersucht werden, um zu sehen, in welcher Weise hier Gemeinschaften von Interpreten wirksam werden, innerhalb derer jeweils bestimmte Diskurse als 'wahre Diskurse' stabilisiert sind.